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Eine neue Agro-Oligarchie beherrscht den Weltmarkt

Die globale Agrochemie- und Saatgutindustrie erlebte in den letzten beiden Jahren einen profunden Umbruch mit einer Flut an Fusionen und Übernahmen, die die Branche konsolidierten und Bedenken im Hinblick auf die Zukunft unserer Ernährungssouveränität aufwerfen.

5/30/2018 - Regiothek Redaktion
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Eine neue Agro-Oligarchie beherrscht den Weltmarkt

Bereits im Februar 2016 kündigte ChemChina die Akquisition des Schweizer Pestizid- und Saatgutherstellers Syngenta an – die größte jemals getätigte Übernahme eines ausländischen Unternehmens durch ein chinesisches Unternehmen. Im darauffolgenden Jahr fusionierten die beiden US-Riesen DuPont und Dow Chemical zum weltweit größten Chemiekonzern DowDuPont Inc und stieß damit den Chemiekonzern BASF aus Ludwigshafen vom Thron. Mitte März 2018 hat Bayer die kartellrechtliche Genehmigung der EU für den Kauf des US-Kollegen Monsanto erhalten – die neuste von drei Mega – Fusionen, die die Agrochemie-Industrie umkrempeln werden. Mit dem ausstehenden grünen Licht von Seiten der US-amerikanischen Kartellwächter könnte Bayer Ende des Quartals die globale Nummer eins bei Saatgut, Pestiziden und Agrogentechnik sein. Dabei handelt es sich mit einem Volumen von rund 62,5 Milliarden Dollar um die bislang größte Übernahme eines ausländischen Unternehmens durch einen deutschen Konzern.

Die Konsolidierung in der Agrarindustrie konzentriert auch die politische Macht, da gigantische Konzerne die Regierungen auffordern, die Regeln des Ernährungssystems so zu gestalten, dass ihre Interessen gewahrt werden. Die Lobbymacht eines Global Players mit Sitz in Deutschland, der den mächtigsten EU-Staat hinter sich weiß lässt erahnen, dass seine Interessen als die des Wirtschaftsstandorts Deutschland gelten und ihm gewogene Politikerinnen und Politiker grundlegende Errungenschaften der EU-Gesetzgebung zum Pestizideinsatz ins Visier nehmen werden. Ein stärkerer Angriff auf die Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht von Gentech-Pflanzen als Wachstums- und Handelshemmnis ist ebenso zu erwarten. Damit verbundene Änderungen in der Regierungspolitik, die den Wunsch großer Konzerne nach mehr industrieller Großlandwirtschaft, den Einsatz von Pestiziden und industriell vertriebenes Saatgut begünstigen, werden jedoch die Existenzgrundlage von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern direkt gefährden und unsere Ernährungssouveränität einschränken.

Vor allem dürften diese Fusionen zu höheren Inputkosten für Landwirte führen und gleichzeitig die Produktalternativen für Landwirte und VerbraucherInnen reduzieren. Da die Saatgut- und Chemieindustrie stark konzentriert ist und bereits im Jahr 2013 die sechs größten Unternehmen 75% des Agrochemie-Marktes und 63% des kommerziellen Saatgutmarktes kontrollierten, kommen Bayer-Monsanto, DuPont-Dow und ChemChina-Syngenta ihrem Ziel näher: jeweils die marktbeherrschende Stellung bei Saatgut und Pestiziden zu erreichen und somit Produkte, Preis und Qualität zu diktieren. Drei Megakonzerne kontrollieren in der Folge fast zwei Drittel des weltweiten Marktes für Saatgut und Agrarchemikalien. In kaum einem Bereich ist die Marktmacht einiger weniger Unternehmen so groß wie in der Landwirtschaft.  Konzernübernahmen sind dabei nur eine Strategie, andere Anbieter zu verdrängen, den Wettbewerb soweit wie möglich auszuhebeln und damit Profite weiter zu steigern.

Marktkonzentration im Bereich Saatgut und Pestizide

Marktkonzentration im Bereich Saatgut und Pestizide

Bild: Statista

Indem sich die großen Züchtungsfirmen der Welt auf wenige Pflanzen konzentrieren, die weltweit von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind und Investoren schnelle Renditen sichern, ist es um die Erhaltung der Vielfalt in der Züchtung nicht gut bestimmt. Laut FAO gibt es mehr als 12.000 nachgewiesen essbare Pflanzenarten, aber nur 3 Arten (Weizen, Mais, Reis) liefern 60 % der Kalorien, die wir zu uns nehmen. Angesichts sich ändernder Umweltbedingungen ist diese Einschränkung allerdings risikobehaftet. In Zeiten des Klimawandels ist die stetig steigende Weltbevölkerung mehr denn je auf vielfältiges Saatgut angewiesen, dass je nach klimatischen Bedingungen die Ernährung der Menschen vor Ort sichert. Hängt die Ernährung ganzer Volkswirtschaften schließlich von wenigen Konzernen ab, die auf immer weniger Sorten von Nutzpflanzen setzten, stellen sich Fragen zur Ernährungssouveränität und Nahrungsmittelsicherheit. Die Marktmacht der Konzern wird zum Problem für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für Landwirte, wenn Preise für die Lebensmittelproduktion steigen und gleichzeitig die Auswahl sinkt.

Dem von Bayer und Monsanto geförderte Agrarmodell, das auf Massenproduktion, den Einsatz von Pestiziden und industriell vertriebenes Saatgut setzt, dabei Umwelt und Menschen schadet und die Artenvielfalt dezimiert, stehen kleinbäuerliche Betriebe gegenüber, die auf ökologische Anbaumethoden setzen und ihr lokal angepasstes Saatgut meist selbst vermehren, austauschen und weiterentwickeln. Laut FAO ernähren Kleinbauern rund 70% der Weltbevölkerung, und zwar hauptsächlich mit Samen, die von einer Ernte zur nächsten getragen werden, anstatt sie kommerziell zuzukaufen. In dem System von Monsanto, Bayer und Co. bestimmt jedoch der Konzern die Spielregeln. Geistige Eigentumsrechte wie Patente und Sortenschutz sichern den Konzernen exklusive Nutzungsrechte. Den Bauern ist es entweder vertraglich verboten Samen aus der Ernte aufzubewahren und sie für den Nachbau zu verwenden, oder es werden hohe Lizenz- oder Patentgebühren verlangt. Insbesondere die zunehmende Zahl von Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen sowie die Zunahme von Lizenzvereinbarungen gefährdet den Zugang von kleineren Züchtungsunternehmen zu genetischen Ressourcen und dezimiert in der Folge die Sortenvielfalt. Gerade in Entwicklungsländern sind Kleinbäuerinnen und -bauern auf angepasste robuste Sorten und kostengünstiges Saatgut angewiesen. Durch die Industrialisierung der Landwirtschaft ändern sich jedoch die Anbaumethoden und Kleinbauern werden zunehmend verdrängt. Ein Faktor, der die Vielfalt auf den Feldern unserer Erde verdrängt. Vielfalt gilt allerdings seit jeher als Versicherung gegen Ernteausfälle. Um den Hunger weltweit erfolgreich zu bekämpfen, braucht es also mehr statt weniger Sortenvielfalt, eine angepasste Agrarproduktion und eine Stärkung der Rechte von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern statt mehr Marktmacht für Bayer, Monsanto und Co.

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