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Die Fastenzeit und das Fastenbier. Der Rausch als Verzicht?

Auch im säkularisierten Europa halten viele Menschen am Brauch der Fastenzeit fest. Während sich über Jahrhunderte hinweg die vierzigtägige Zeit von Aschermittwoch bis Gründonnerstag durch den Verzicht auf Fleisch äußerte, hat sich in den letzten Jahrzehnten unser Fasten immer wieder den Entwicklungen der Gesellschaft angepasst. So verzichten heute viele etwa auf den Verzehr zuckerhaltiger Süßigkeiten oder auf den Genuss von Alkohol. Ironischerweise half dabei den früheren Mönchen gerade das Fastenbier, die strenge Abstinenz zu überdauern.

2/19/2018 - Simon Nestmeier
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Die Fastenzeit und das Fastenbier. Der Rausch als Verzicht?

Die Fastenzeit, wie wir sie heute kennen, ist in erst relativ spät institutionalisiert werden. Während eine spirituell verordnete Fastenzeit in vielen Zivilisationen eine lange Geschichte hat, war ihre genaue Ausgestaltung immer wieder Veränderungen unterworfen. Die Symbolik der Zahl Vierzig bezieht sich dabei auf zahlreiche biblische Referenzen, wie die Dauer der Sintflut (Gen, 7,4), den Aufenthalt Mose auf dem Berg Sinai (Ex, 24,28) oder das vierzigtägige Fasten Jesu in der Wüste (Mt, 4,29). In der Westkirche hat sich jedoch erst in den ersten Jahrhunderten nach ihrer Gründung die bis heute mehr oder weniger gängige Auffassung der „Großen Fastenzeit“ entwickelt. Während sich das österliche Fasten zunächst nur auf die Tage vor Ostersonntag oder, analog zur hebräischen Paschazeit, auf eine einzige heilige Woche beschränkte, dehnte sich die Abstinenz erst zwischen 4. und 8. Jahrhundert auf eine Zeit von vierzig Tagen aus.

So wurde zu Beginn des Mittelalters das Fasten immer detaillierter vorgeschrieben. Zunächst bedeutete es, ähnlich wie beim muslimischen Ramadan heute, den Verzicht auf Essenseinnahme zur Tageszeit. Erst abends zur neunten Stunde, also ab 15:00 Uhr, durften Mahlzeiten zu sich genommen werden. Regional und zeitlich unterschiedlich wurde nach und nach auch die Natur der erlaubten Speisen definiert. Ein absolutes Verbot betraf schon früh den Verzehr von Fleisch. Doch zu Beginn des Mittelalters waren auch Milch, Eier und Alkohol davon betroffen. Dementsprechend passten sich die kulturellen Gewohnheiten vor Aschermittoch diesen Regeln an. Besonders deutlich wird das beim Wort „Karneval“: Das italienische Wort carnevale entspringt den lateinischen Wörtern carnem (Fleisch) levare (wegnehmen). Der Karneval definiert sich also selbst als die Zeit, in der sämtliche Fleischvorräte aufgebraucht werden mussten. Auch die Fett bzw. Buttervorräte mussten weg, worauf der Siegeszug des Faschingskrapfens oder die Begrifflichkeit des berühmten Mardi Gras, dem „fetten Dienstag“ (Faschingsdienstag) in New Orleans zurüggehen. Erst 1486 wurde durch päpstlichen Erlass der Verzehr von Milchprodukten gegen Bezahlung zumindest geduldet.


Eine Frage der Definition: Rausch als Verzicht?

Im jüdischen Paschafest war der Genuss von Wein ein fester ritueller Bestandteil – wie auch beim letzten Abendmahl. In der Westkirche sah man das bereits spätestens seit der Trullanischen Synode von 692 strenger, die den Wein als mit der Abstinenz nicht vereinbarliches Genussmittel festlegte. Doch woher kommt dann die Tradition des Fastenbieres, das ausgerechnet in den frommen Klöstern entstand?

Von Mönchen und Nonnen wurden die liturgischen Regeln natürlich besonders streng eingehalten. So verzichteten sie teilweise nicht nur auf Fleisch, Eier und Milchprodukte, sondern auf alle Lebensmittel. Bier ist kein Wein. Und Bier ist flüssig: Liquida non frangung ieunum, Flüssiges bricht nicht das Fasten. So konnte man mit reinem Gewissen die strengen Abstinenzregeln elegant umgehen.

Der Arzt Paracelsus empfahl Bier als „göttliche Medizin“. Portrait von Augustin Hirschvogel (1538).

Der Arzt Paracelsus empfahl Bier als „göttliche Medizin“. Portrait von Augustin Hirschvogel (1538).

Bild: www.astro.com/astrowiki/de

Der älteste historische Nachweis über klösterliche Braukunst ist aus dem Jahr 820 im Benediktinerkloster in Sankt Gallen überliefert. Zur damaligen Zeit – wir befinden uns vor der Einführung des Reinheitsgebotes – war es üblich, aus allen möglichen Getreidesorten Bier zu brauen. Das Brauhandwerk war noch nicht sehr fortgeschritten, weshalb ein nach heutigen Maßstäben wohl recht dünnes und fades Haferbier lange die Regel war. Dieses war allerdings nicht sehr nahrhaft.

Um aus der Not eine Tugend zu machen und gleichzeitig die kirchlichen Regeln zu erfüllen, entwickelte sich in den mittelalterlichen Klöstern die bis heute fortbestehende Braukunst. Nicht zuletzt aufgrund der damals seltenen Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, konnten die Mönche die handwerklichen Prozeduren immer weiter perfektionieren. Mit der Zeit wurden Verfahren entwickelt, um das Bier schmackhafter, stärker und nahrhafter zu machen. Das Fastenbier war nicht nur reich an Alkohol und somit an Kalorien, sondern auch an Vitaminen und Mineralstoffen. In Süddeutschland soll jeder Mönch das Recht gehabt haben, bis zu fünfmal täglich seinen Krug mit Bier aufzufüllen – wobei ein Krug um die zwei Liter fasste. Umgerechnet auf heutige Maßeinheiten bedeutet das, dass ein Mönch an jedem Tag der Fastenzeit einen Kasten vernichtete. Und zwar kein seichtes Leichtbier, sondern vollmundiges Bockbier, wie wir es heute noch vom Starkbieranstich kennen.


Empfehlungen fürs Bierfasten

Die ambivalente Beziehung zwischen Fasten und Bier setzt sich bis heute fort. Vor allem in Bayern sind Starkbieranstiche, meist um den Josephitag (19. März), heute noch üblich – und man spricht sogar von der „Starkbierzeit“, die vor dem Osterfest der inneren Einkehr dienen soll. Ob der ausschließliche und übermäßige Konsum von Bier der inneren Einkehr und der Entschlackung dient, sollte man sich natürlich ob der eigenen physischen Verfassung überlegen. Der berühmte Alchemist „Paracelsus“ (1493/4- 1551) meinte zwar damals: „Bier ist eine wahrhaft göttliche Medizin“. Ob eine Bierkur gesund ist, sei nach den Erkenntnissen der modernen Medizin dahingestellt. Doch gibt es tatsächlich auch außerhalb von Klöstern Leute, die sich wie die früheren Mönche in der Fastenzeit ausschließlich von Bier ernähren und vierzig Tage lang keine Nahrung zu sich nehmen. Der Kanadier Chris Schryer schaffte es damit sogar in die internationale Presse.

Der Original Dinkelbock vom Apostelbräu in Hauzenberg mit „Dreiländerhopfung“ mit Hopen aus Deutschland, Österreich und Tschechien. Alk.: 6,8 % Vol.

Der Original Dinkelbock vom Apostelbräu in Hauzenberg mit „Dreiländerhopfung“ mit Hopen aus Deutschland, Österreich und Tschechien. Alk.: 6,8 % Vol.

Bild: Regiothek

Wer es nicht ganz so weit treiben will, jedoch die Tradition des Biergenusses in der Fastenzeit moderat fortsetzen will, muss allerdings nicht auf die weltweit bekannten Starkbiere der großen Konzerngruppen zurückgreifen. Gerade für die Fastenzeit eignen sich die vollmundigen, obergärigen Biere kleiner Handwerks- und Craftbier-Brauereien hervorragend. Wir empfehlen modern interpretierte Traditionsbiere wie den Dinkelbock vom Apostelbräu in Hauzenberg oder das Landsknecht Biodunkel vom Thomasbräu aus Haselbach. Der Geschmack von echtem Brauhandwerk zaubert ein Stück Behaglichkeit in die sonst so lange Fastenzeit.

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